Sonntag, 11. Dezember 2011

Historischer Bericht über den Großbrand in Krems 1926

von SB für Feuerwehrgeschichte

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Zuletzt am Freitag, 3. Februar 2012 geändert.

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Krems. (Riesenbrand.) Am Dienstag den 8.Juni wurde Krems von einem furchtbarem Brandunglücke heimgesucht. Um 3 Uhr nachmittags schlugen plötzlich aus dem Dache der Dampfbäckerei Ferdinand Wilhelm, Untere Landstraße 10, Flammen empor, die von den Fußgängern und Bewohnern der Unteren Landstraße sogleich bemerkt wurden. Der Ruf „Beim Wilhelm brennts“ erscholl und verbreitete großen Schrecken. Raschest wurde die Polizei verständigt, welche sogleich den Alarm an die freiwillige Feuerwehr weitergab und das Ortskommando Krems um Hilfe bat. Rasch griffen die Flammen auf die nächsten Häuser Zeilinger und Gemeinderat Jobstmann über, deren Dachstühle hell aufloderten. Von dort sprang das Feuer über die Landstraße auf den Dachstuhl des Gasthauses „Zur Stadt Wien“, Eigentum des Herrn Hießberger, und verbreitete sich auch dort rasch

Nunmehr erschien die freiwillige Feuerwehr Krems auf dem Brandplatz und nahm den Kampf mit dem Elemente auf. Der an diesem Tage wehende Westwind trug ein Funkenmeer in östliche Richtung. Es fand an den benachbarten Ziegeldächern keine Nahrung, setzte sich aber am Schindeldache des Zuckerbäckers und Gemeinderates Anton Weiß fest und so entstand ein zweiter Brandherd. Die Feuerwehr setzte mit ihrer Arbeit nun rasch dort ein. Nun erschienen die auswärtigen Wehren in rascher Reihenfolge. Überraschend schnell griffen die Freiwilligen Feuerwehren Stein und Mautern ein, gleichzeitig sperrte die ausgerückte Bereitschaft der Garnison die Landstraße und ihre Nebengassen ab. Mit unverminderter Hartnäckigkeit trieb der Westwind die Funken weiter, so daß der ganze Stadtteil in große Gefahr geriet. Auf allen Dachböden nahmen die Hausbewohner den Kampf mit dem Flugfeuer auf und konnten ein Weitergreifen verhindern.

Plötzlich ertönten neue Entsetzensrufe, weitfliegende Funken hatten den Dachstuhl der Eisenhandlung Anton Neunteufel am Moserplatz in Brand gesetzt. Im Nu stand auch dieser in hellen Flammen, die sogleich auf das Dach des Magazins und weiter auch auf den Dachstuhl des Gasthauses „Zum Schwarzen Adler“, Eigentum der Frau Eder, übergriffen. Wunderbarer Weise blieben die nächstliegenden Häuser in der Unteren Landstraße und Badgasse wieder unversehrt, obgleich sie fast alle mit Schindeln gedeckt sind und dem Feuer reiche Nahrung geboten hätten. Das Flugfeuer konnte von den Bewohnern, so insbesonders des sehr gefährdeten Gasthofes „Zum Goldenen Stern“ durch eifrige Löscharbeit im Keim erstickt werden. Aber noch suchte das Element neue Nahrung und wählte als nächstes Opfer den Eisentürhof mit seinen zahlreichen Baulichkeiten und Magazinen. Dort wütete das Feuer mit besonderer Heftigkeit, so daß sich schließlich der Kampf der Feuerwehren auf diesen Herd zusammenzog. Die benachbarte Krems lieferte reichlich Wasser für mehr als zehn Schlauchlinien. Während die anderen Brandherde längst eingedämmt gewesen waren, kostete es schwere Mühe, ein Weitergreifen des Brandes auf die Häusergruppe Landertinger und Maschinenfabrik Oser zu verhindern. Ein Heumagazin der Firma Albert Mach, sowie die zahlreichen Werkstätten und Magazine dieses weitläufigen Gebäudes, Eigentum der Frau Karoline Mayer, lieferten den unersättlichen Naturgewalten reichlich Nahrung.

Man mußte besorgen, daß das Feuer auch über Krems greifen würde und deshalb entschloß man sich, mit Hilfe einer rasch angelegten Schlauchlinie das Holzlager der Möbelfabrik Adolf Pichler und der angrenzenden Schindeldächer mit Wasserstrahlen zu belegen. Gegen halb 6 Uhr war die größte Gefahr dank dem Zusammenwirken der freiwilligen Feuerwehren, der Garnison, der Gendarmerie, der Polizei und der Bevölkerung, beseitigt. Gleich nach Ausbruch des Brandes erschienen Bürgermeister Finanzrat Baran, Bezirkshauptmann, Landesregierungsrat Dr. Vogel und Altbürgermeister Dr. Stingl am Brandplatze. Die gesamte Garnison hatte schon am frühen Morgen einen Übungsmarsch in die Gföhlergegend unternommen und war zur Stunde des Brandausbruches noch nicht eingerückt. Auf den Hilferuf der Polizei konnten daher nur Einführungszüge, die eben eingerückten Wachen und die Maroden, insgesamt 112 Mann, darunter 40 Pioniere gesammelt werden, die mit den Offizieren Oberstleutnant Wimmer, Oberstleutnant Ratzenberger, Oberleutnant Kaden, Oberleutnant Leopold, Vizeleutnant Schabek und Offizierstellvertreter Stumvoll auf den Brandplatz abgingen, wohin ihnen die der heimkehrenden Garnison vorausgeeilter Radfahrer folgten. Die Soldaten besorgten die Absperrung der Straßen und beteiligten sich an den Löscharbeiten aufopfernd insbesondere vom Hohen Markte aus. Dieses Stadtgebiet ist ja ein einziges Schindelmeer und daher besonders gefährdet gewesen.Besonders das Haus Margarethenstraße Nr.12, das hinter dem abgebrannten Haus Hießberger liegt, schwebte in großer Gefahr. Die Flammen schlugen zu den Fenstern hinein. Dem im ersten Stock wohnenden Sicherheitswachmann Wilhelm Walter gelang es, obgleich seine Zimmer bereits mit Rauch gefüllt waren und die Hitze der Flammen zu den Fenstern hineindrang, die eisernen Fensterläden rechtzeitig zu schließen. Im zweiten Stockwerke hatten die Flammen bereits Nahrung an den Vorhängen gefunden. Gewaltsam mußte die Wohnung geöffnet und die brennenden Vorhänge beseitigt werden.

Nach Einrücken der Garnison wurden weitere Abteilungen auf den Brandplatz entsandt und erschienen die Kommandanten Oberstleutnant Loy und Oberstleutnant Rehberger am Brandplatz. Das Kommando über die aus der ganzen Gegend erschienen Feuerwehren führte Bezirkskommandant Schmidl, Dürnstein. Am Brandplatze wirkten hingebungsvoll die Feuerwehren Krems, Weinzierl, Stein, Mautern, Mauternbach, Gneixendorf, Imbach, Rehberg-Fabrik und –Ort, Senftenberg, Theiß, Gedersdorf, Rohrendorf, Stratzing, Lengenfeld, Unter-Loiben, Weißenkirchen, Brunn im Felde, Gföhl, Oberfucha, Furth, Thallern, Egelsee, Rührsdorf, St. Pölten, Spitz, Hadersdorf, Melk, Priel, Gösing, Straß. Die Ursache des Brandes ist vollkommen ungeklärt, jedenfalls ist keines der Gerüchte glaubwürdig, am ehesten dürfte die Annahme eines schadhaften Rauchfanges oder Funkenflug zutreffen. Man weiß nicht einmal, ob das Feuer in der Dampfbäckerei Wilhelm oder am Nachbarhause Zeilinger ausbrach.

Das Gerücht, daß die Wasserzufuhr anfangs infolge einer zufälligen Reparatur und Wasserabsperrung mangelhaft gewesen sei, trifft nicht zu, vielmehr setzte das städtische Wasserwerk nach Einlangen der Brandnachricht sogleich mit seiner dritten Pumpe ein, um einem gesteigerten Wasserbedarf gerecht zu werden. Es sind insgesamt 12 Dachstühle und Dachboden ein- und ausgebrannt. Der Schaden wird auf zwei Milliarden geschätzt.

Das Mitgefühl wendet sich besonders den Bewohnern des Eisentürhofes, kleinen Geschäftsleuten und Einwohnern zu, die um ihr Hab und Gut gekommen und in arger Bedrängnis sind.